Mit Jubel grüßen wir das Licht

Breslauer „Madonna unter den Tannen“ von Lucas Cranach dem Älteren Foto: Nationalmuseum Breslau/mnwr.pl

Die Adventszeit und das Weihnachtsfest stehen auf der Nordhalbkugel der Erde im Zeichen eines Wechselspiels zwischen Finsternis und Licht. Im Advent werden die Tage kürzer und die Nächte länger. Mit der Weihnachtszeit beginnt das Tageslicht zuzunehmen und die Dunkelheit wird schrittweise überwunden. Astronomisch gesehen, hängt dies mit der „Wintersonnenwende“ zusammen. Sie tritt am 21. bzw. 22. Dezember ein. Zu diesem Zeitpunkt ist die Nacht die längste und der Tag der kürzeste im ganzen Kalenderjahr.
Auf diesen jährlichen Vorgang in der Natur bezieht sich die Wahrnehmung von Advent und Weihnachten. Beide Zeiten werden als eine Bewegung gesehen, die aus der Finsternis zum Licht hinüberführt. Die Dunkelheit, welche die Welt umhüllt und als unangenehm, schwer zu ertragen, beunruhigend und bedrohlich empfunden wird, wird von der Leuchtkraft der Sonne bewältigt und zerstreut. Auf Heiligabend folgt der Weihnachtstag. Christus, das Licht der Welt, wird in der Nacht geboren.
Das Warten auf das Licht, die Sehnsucht nach dem Heiland, kommt in den Liedern im Advent sehr deutlich zum Tragen. Eines von denen sagt: (1) „Es glüht ein Morgenrot herauf, / das glänzt wie Hoffnungslicht so schön, / zur Erde steigt im Weltenlauf / der Heiland aus den Himmelshöhn.“ (2) „Mit Jubel grüßen wir das Licht, / es scheucht den Irrtum und den Wahn, / es stillt die Sehnsucht, trügt uns nicht, / wenn wir mit reinem Herzen nah´n.“ (3) „Durchs Nachtgewölk im alten Bund / fiel mancher milde Gnadenstrahl; / nun wird der Liebe Vollmaß kund, es strömt ihr Licht ins Erdental.“ Das erwartete Licht für die Menschheit ist Christus selbst. Seine Mutter Maria wird als Botin des Lichts dargestellt und als Morgenstern bezeichnet. Sie hat mit ihrer Haltung, mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Hingabe und Treue zu Gott, den verheißenen Messias zu Welt gebracht. Mit ihr wird auf die Geburt Jesu gewartet. Das können wir diesen Liedern entnehmen: (1) „Dunkle Trauer lag auf Erden, / Licht und Freude waren fern. / Als es wie der Tag sollt´ werden, / strahlte hell der Morgenstern; / durch die finstern Zeiten hin / strahlest du von Anbeginn: / Jungfräuliche Mittlerin, / unbefleckte Königin.“ (2) „Auf dich hoffen alle Zeiten, / schönste Zier der ganzen Welt, / Seine Ankunft zu bereiten, / hat der Herr dich aufgestellt; / durch die alte Nacht in Not / leuchtest du, o Morgenrot. / Jungfräuliche Mittlerin, / unbefleckte Königin.“
Im Schlesien des 19. Jahrhunderts waren die Strophen des Adventliedes: „Oh komm Emmanuel“ sehr bekannt. Im Gesangbuch von Franz Dirschke aus dem Jahr 1892 für das ehemalige Bistum Breslau finden wir diese Zeilen: (1) „Oh komm, oh komm Emmanuel, / nach dir sehnt sich dein Israel. / In Angst und Sorgen liegen wir / und schau´n voll Sehnsucht auf zu dir. / Freu dich, freu dich, oh Israel, / bald kommt, bald kommt Emmanuel.“ (2) „Oh komm, oh wahres Licht der Welt, / das unsre Finsternis erhellt. / Wir irren hier in Trug und Wahn, / oh führ uns auf des Lichtes Bahn. / Freu dich, freu dich, oh Israel, / bald kommt, bald kommt Emmanuel.“ Die Verbindung zwischen dem Warten im Advent und der Erfüllung in der Geburt Jesu Christi stellt das Lied „Komm, du Heiland aller Welt“ dar. In der dritten und vierten Strophe wird das Wetteifern um die Herrschaft über die Menschheit zwischen der feindlichen Finsternis und dem lebensspendenden Licht angesprochen. (3) „Wie die Sonne sich erhebt / und den Weg als Held durcheilt, / so erschien er in der Welt, / wesenhaft ganz Gott und Mensch.“ (4) „Glanz strahlt von der Krippe auf, / neues Licht entströmt der Nacht. / Nun obsiegt kein Dunkel mehr, / und der Glaube trägt das Licht.“
Der Weg der Kinder auf Weihnachten zu wird, so wie derjenige der Erwachsenen, mit Licht begleitet. Uns sind die folgenden Zeilen bekannt: „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt./ Erst ein, dann zwei, dann drei, dann vier, / dann steht das Christkind vor der Tür.“ Das Licht wird zum Mittelpunkt in den Familien durch den Weihnachtsbaum. Gerne wird an der bunt geschmückten Tanne oder Fichte gesungen: (1) „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen / Wie glänzt er festlich, lieb und mild / Als spräch’ er: wollt in mir erkennen / Getreuer Hoffnung stilles Bild.“ (2) „Die Kinder steh’n mit hellen Blicken / Das Auge lacht, es lacht das Herz / O fröhlich-seliges Entzücken / Die Alten schauen himmelwärts.“ (4)“ Gesegnet seid, ihr alten Leute / Gesegnet sei, du kleine Schar / Wir bringen Gottes Segen heute / Dem dunklen wie dem weißen Haar.“
Wie wichtig das Licht Gottes für die Christenheit und die gesamte Welt ist, zeigen uns die Lesungen für das Weihnachtsfest. In der Heiligen Nacht werden in der katholischen Eucharistiefeier die Worte aus dem Buch Jesaja gelesen (Jes 9,1.5): „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf. (…) Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ So, wie mit dem Tageseinbruch die Dunkelheit überwunden wird, so kommt es zu einem Neuanfang im menschlichen Leben durch die Geburt Jesu Christi.
Im Evangelium nach Johannes lesen wir die Botschaft von der Kraft des Wortes, welches letztendlich zum Licht wird und das Leben neu aufstellt. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. (…) In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Jesus, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“
In diesem Jahr feiern wir Weihnachten in einer schwierigen und teils auch dunklen, ungewissen Zeit. Wenden wir uns zum Licht. Lassen wir Christus in uns wohnen, damit wir im Hellen unsere Tage gestalten und Krisen überwinden. Gesegnete Feiertage.

Wort zum Weihnachtsfest – 25. Dezember von Dr. Peter Tarlinski, Seelsorger der Deutschen in der Diözese Oppeln

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