Bilder sprechen lassen

Buchcover "Gliwiczanie w fotografii odświętnej. Portret mieszkańców Gleiwitz"

Eine Geschichte zum Ansehen, obwohl man sie durchlesen sollte. Leszek Jodliński, Kunsthistoriker, Verleger und Museumsmitarbeiter hat ein Buch über die Bewohner von Gleiwitz herausgegeben unter dem Titel: „Die Gleiwitzer auf festlicher Fotografie. Ein Porträt der Bewohner von Gleiwitz” (Gliwiczanie w fotografii odświętnej. Portret mieszkańców Gleiwitz). Über 100 Bilder erzählen über Gleiwitz bis 1939 und seine Bewohner. Anita Pendziałek sprach mit Leszek Jodliński und wollte wissen, warum und für wen er sein Buch herausbrachte.
Ist „Buch” eine korrekte Bezeichnung? Oder sollte ich eher nach einem Album nachfragen?
Vielleicht ein Album mit Text. Aber tatsächlich gibt es vorwiegend Bilder, also Album mit Kommentar – das ist wahrscheinlich die beste Definition für das, was man in der Publikation sehen und lesen kann.
Darüber, was man in dem Album sehen kann, also über die Fotografien, sprechen wir etwas später. Zuerst frage ich danach, was man lesen und erfahren kann?
Es ist einer Art Reflexion zum Thema der Fotografie im 19. Jahrhundert und am Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie unterschiedet sich von der heutigen, die mehr Massen- und weniger festliche Fotografie ist. Wenn wir Leser fragen würden, wann Sie zuletzt beim Fotograf gewesen sind, würden Sie wahrscheinlich den Tag der Ersten Kommunion, den Hochzeitstag oder ähnliche Ereignisse erwähnen. Fotografie gebrauchen wir heutzutage sehr allgemein, gewöhnlich, sie begleitet uns eigentlich die ganze Zeit. Damals war das nicht der Fall. Darüber erzählt auch mein Buch – eben über diese Reflexion. Es erzählt auch von den Menschen, die die Bilder füllen, also Bewohner von Gleiwitz – einer Stadt, die sich im 19. Jahrhundert rasch entwickelt, von einer Provinz mit zwölf tausend Einwohner zu einer Großstadt, in der im Jahr 1939 ca. 117 Tausend Menschen leben. Diese Menschen wollte ich zeigen. Als Kunsthistoriker und Architekt bin ich zu der Schlussfolgerung gekommen, dass wir immer mehr über Gebäude, Straßen, Gegenstände wissen und immer noch die Gesichter der Bewohner nicht sehen. Das wollte ich in dem Buch auch beschreiben – also was für Menschen die Foto-Ateliers besucht haben, wie die Mode damals aussah, welche Sitten es gab.
Also dieses Buch ist nicht nur für Bild-, Kunst-, Architektur-Liebhaber, aber auch für diejenigen, de etwas über damalige Zeiten, damaliges Gleiwitz, erfahren möchten...
Ich denke ja. Zwangsläufig – da ich in Gleiwitz geboren wurde und es die Stadt ist, die meinem Herzen am nahesten steht – habe ich gerade diese Stadt gewählt. Aber ich wollte zeigen, wie solche Visiten in Ateliers, als auch alleine die Ateliers und ihre Arbeit, damals ausgesehen haben. Und nicht nur die eine Stadt zeigen, aber Ateliers auf dem ganzen industrielen Gebiet Oberschlesiens. Der Titel verrät, dass es sich um Gleiwitz und Gleiwitzer handelt, aber ich bin der Meinung, dass sowohl Liebhaber der Fotografie des 19. Jahrhunderts, als auch diejenigen, die etwas zu der Geschichte der Fotografie und der Tätigkeit der Ateliers zu dieser Zeit erfahren möchten – zu bemerken ist, dass wir über 150 Fotohandlungen sprechen, die es Ende des 19. Jahrhunderts in dem Oppelner Regierungsbezirk gab – werden in der Publikation etwas für sich finden, auch wenn Sie nicht mit Gleiwitz verbunden sind. Denn es ist auch einer Art universelle Geschichte darüber, was vor 1945 in und auf der oberschlesischen Fotografie geschah. Menschen aus Gleiwitz werden wahrscheinlich mit dem Buch am meisten zufrieden sein, aber vergessen wir nicht, dass die Fotohändler aus Gleiwitz auch in anderen Städten tätig waren, beispielsweise in Hindenburg (Zabrze), Schwientochlowitz (Świętochłowice). Wir finden dort die gleichen Namen, die gleichen Eigentümer.
Das, was wir in dem Buch auf Bildern bewundern können, sehen wir auch teilweise auf Ausstellungen, wo auch die Mode aus den Fotografien präsentiert wird. Könnten Sie verraten, wo Ausstellungen stattfinden oder geplant sind?
In Königshütte (Chorzów) gibt es gerade jetzt eine Ausstellung und genau eine derartige Ausstellung wird sich eher nicht wiederholen. Ich möchte daher herzlich einladen sich diese anzusehen, weil dort eine gewisser Art Interpretation des Buches vollbracht wurde – zusammen mit der Eigentümerin der Imago-Art-Galerie in Königshütte, Dominika Maniek, haben wir in erster Linie darauf aufmerksam gemacht, dass festliche Fotografie bedeutet, dass Menschen sich in das beste und schönste aus dem Kleiderschrank gekleidet haben. Manchmal bedeutete das, dass sie eine schlesische Tracht geholt haben und manchmal städtische Mode. Man könnte sagen, dass jedes Bild eine andere Geschichte über Mode und Trends erzählt. In Königshütte wurden diese Modetrends verglichen – sowohl auf den einzelnen Bildern als auch mit den jetzigen Trends. Diese Ausstellung kann man noch bis zum 16. November bewundern. Wiederum am 8. November gibt es in Gleiwitz ein Treffen zum Thema meines Buches und dort wird das Thema der Trends ebenfalls angesprochen. Dieses Thema ist, meiner Meinung nach, interessant, weil sich dabei das ergibt, was ich sehr befriedigend finde – dass es eigentlich keine Unterschiede zwischen Gleiwitz und Städten, wie Krakau, Prag oder Berlin gab und schlesische Städte wurde oft verächtlich als provinzielle Städte am Rande von Preußens oder Deutschlands betrachtet. Die Mode ist für einen Historiker eine Quelle von unschätzbarem Wert – die ermöglicht nämlich die Bilder zu datieren. Dieser Album beinhaltet über 120 Bilder, die ich während meiner Reisen nach u.A. Berlin, Amsterdam oder kleinere Städte in ganz Europa, als auch Städte in Oberschlesien gesammelt habe. Dieser Album ist ein bisschen „künstlich”, würde ich sagen, nicht familiär. Es zeigt nämlich nicht eine Familie, sondern verschiedene Kreise, Milieus. Manche Menschen konnte man trotzdem erkennen und somit benennen oder die Adresse angeben. Dank diesen Angaben, also sowohl den persönlichen Daten, als auch der Mode, wie auch vor allem dank der Fotografietechnik – wie die Fotos gemacht wurden und manche haben beispielsweise vergoldete Kanten – haben wir die Möglichkeit zu erkennen, wann das Bild gemacht wurde. Die Modeinterpretation und die Datenerkundung das sind Beispiele, was man mit dem Album anfangen kann. Ähnliche Inhalte liefern uns auch der Hintergrund und die Gegenstände, die sich auf den Fotografien befinden. All das lässt die Fotografien sprechen.
Woher kam die Idee ein Buch gerade über Fotografie und Porträts?
Das ist einerseits eine einfache Frage und andererseits eine gute und wundervolle Frage. Der erste Impuls – darüber schreibe ich auch in dem Buch sehr ernst und authentisch – war ein Bild, eigentlich eine Postkarte, die ich mir einst angesehen habe. Ich, Kunsthistoriker, habe mir die im Hintergrund stehende Allerheiligen-Kirche zu Gleiwitz angesehen, die damals teilweise mit Gerüst zugestellt war. Einmal habe ich dann erkannt, dass sich auf der Straße – wie bei Horst Bienek – verschiedene Menschen befinden. Manche in städtischer Kleidung und manche, die eindeutig nach Gleiwitz zu Besuch gekommen sind. Ich habe in diesem Moment Horst Bienek geglaubt, wo er geschrieben hat von den Gestalten, die die Straßen und Straßenbahnen gefüllt haben. Diese Person aus der Postkarte kam eindeutig aus eine Ortschaft, einem Dorf in der Nähe von Gleiwitz, weil sie eine schlesische Tracht trug. Damals wurde mir bewusst, dass solche Bilder eine perfekte Gelegenheit sind um die Einwohner von Gleiwitz zu zeigen. Ein weiterer Grund, warum ich mich entschieden habe dieses Buch zu verfassen, war Sehnsucht. All die Fotografien habe ich außerhalb von Schlesien, auch außerhalb Polens gesammelt. Ich habe sie, sagen wir Mal Schachtel zu Schachtel, aus Neugier und Sehnsucht gesammelt um Gleiwitz und seine Einwohner zu sehen. In meiner Familie gab es so einen Album nie, weil wir nach Schlesien aus dem Osten gekommen sind. Irgendwann kam ich dann letztendlich zu der Schlussfolgerung, dass die Anzahl der Gäste auf den Fotografie ziemlich hoch ist und sie nicht ignoriert und verschwiegen werden sollten. Ich dachte also, dass ich als Gleiwitzer irgendetwas dies hinsichtlich ändern kann. Ich wollte nicht nur Bilder zeigen aber auch Menschen aus geschichtlicher Sicht. Ich dachte mir, dass das für Leser und Leserinnen interessant sein könnte. Und ich habe mich, glaube ich, nicht geirrt. Die Reaktionen sind positiv, warm und freundlich. Umso mehr – es tauchen Fragen auf, die ich heute noch nicht beantworten kann, wann ein nächstes Buch zu einer anderen Stadt erscheint. Vielleicht kommt es dazu, weil ein noch ein paar Städte gibt, die den Potenzial haben um anhand Bilder über ihre Einwohner zu erzählen. Aber ein Gleiwitzer musste mit Gleiwitz anfangen. Horst Bienek, Postkarte auf der ich Menschen bemerkt, wahrgenommen habe, was man ansonsten selten macht, und der Wille die Einwohner von Gleiwitz zu zeigen, so, wie wir sie vielleicht nicht kennen, damit wir einer gewisser Art Kontinuität und Sympathie zu den ehemaligen Einwohnern von Gleiwitz spüren – das waren meine Impulse.

Mittendrin.pl